Die nicht erfolgte Wunderheilung und ihre Konsequenzen 

oder wie uns unsere Tiere helfen, uns selbst auf die Schliche zu kommen

 

Die übergroße Angst mancher Halter, den eigenen Schmerz auszuhalten zu müssen, wenn es dem geliebten Vierbeiner nicht gut geht und er leidet, macht einer noch so fundierten Behandlungen oft einen Strich durch die Rechnung. 

 

Tierheilkundige und Tiermediziner geben sich große Mühe, dem kranken Tier so schnell wie möglich auf die Pfoten zu helfen – jeder einzelne nach bestem Wissen und Gewissen und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Erfolg einer Behandlung auch zu einem großen Teil vom Halter abhängt. 

 

Es gibt leider Fälle (und die sind keine Seltenheit), in denen Halter aus übergroßer Angst die Geduld nicht aufbringen, ihre Tiere IN RUHE den Genesungsprozess durchlaufen zu lassen. Schnell soll es gehen, damit die Angst auch schnell verschwindet. Dann muss man sich keine Sorgen mehr machen und man fühlt sich nicht mehr hilflos und ausgeliefert. Es wäre ja vielleicht möglich, dass der geliebte Freund stirbt und das ertrüge man nicht - viel zu schlimm wäre der Schmerz. Dies sind wahrscheinlich keine bewussten Gedankengänge, sondern unbewusste. 

 

Sodann beginnt die Odyssee… Das Tier wird erneut zu weiteren Untersuchungen gefahren, die zu diesem Zeitpunkt (noch) gar nicht nötig wären. Man meint, dass der vermeintlich zu langsame Genesungsprozess ein Zeichen ungeeigneter Behandlungsmethoden oder einer schlimmeren Erkrankung sein muss. Die Angst nagt an einem und man denkt an alles, aber nicht an die Ruhe, die das Tier so dringend für einen erfolgreichen Genesungsprozess benötigt. Man denkt auch nicht daran, dass die eigene Angst und Unsicherheit vom vierbeinigen Freund sehr deutlich wahrgenommen wird und sie ihn belastet.

Es wird jede denkbare Minute mit Argusaugen über den kleinen Freund gewacht. Jeder Schritt, jeder Happen, jede Regung wird sorgenvollsten Blickes beäugt. Es wird auf Zehenspitzen hinter dem Tier hergeschlichen, um beobachten zu können, was es als nächstes macht. Es wird aus dem Schlaf gerüttelt, damit man sich seiner Regung und seines Befindens versichert. Die Angst ist übermächtig und allgegenwärtig und lässt das Tier in der Konsequenz ebensowenig zur Ruhe kommen, wie den Halter.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich spreche hier nicht von der Sorge, die sich ein Halter verständlicherweise um sein Tier macht, wenn es krank ist und ich spreche auch nicht von Behandlungen, die nicht anschlagen und beendet gehören. Und ich spreche erst recht nicht davon, dass man seinem Tier keine (weiteren) Behandlungen zukommen lässt, weil man diesen Artikel hier gelesen hat. Ich spreche einzig und allein von Haltern, die vor Angst vergehen, dass ihnen die Situation entgleitet und sie die Konsequenzen und den Schmerz nicht aushalten können, obwohl das Tier lediglich einen Schnupfen oder ein entzündetes Auge hat oder die Behandlung einer ernsthaften Erkrankung eigentlich gut läuft.

Mir ist klar, dass es völlig normal ist, dass man sich um seinen tierischen Freund große Sorgen macht und man Angst hat, nicht alles richtig zu entscheiden und sich eines Tages deswegen Vorwürfe machen müsste. Aber die Frage, die man sich stellen könnte: Steht das Ausmaß der Angst im Verhältnis zum Ereignis?

 

Wenn die ehrliche Antwort "nein" lautet, möchte ich liebevoll raten, sich Gedanken darüber zu machen, was es mit dieser ausgeprägten, überbordenden Angst auf sich hat. Lohnt es sich vielleicht zu ergründen, wo in der Vergangenheit die Ursache liegt - wann und wie sie entstanden ist? Soll es immer so weiter gehen oder möchte man der Sache auf den Grund gehen? Der Grat zwischen "normaler" und "anormaler" Angst ist schmal, aber spätestens, wenn man mehrmals von dritter Seite darauf hingewiesen wird, dass "man es übertreibt", sollte man ins Grübeln geraten. Aber eigentlich bekommt man dann nur das gesagt, was man selbst schon weiß, aber nicht wahrhaben möchte.


Ich möchte dafür werben, dass wir den gemeinsamen Weg mit unserem Tier vertrauensvoller gehen. Es ist ein lebendes Wesen mit eigenem Schicksal und guter oder auch nicht so guter Gesundheit. Es ist eine erfahrene, reife Seele, die uns ein Stück unseres Lebensweges begleitet und kein hilfloses Baby, als solches wir es viel zu oft sehen (wollen). Haben wir doch ein bisschen mehr Vertrauen in die Reife unserer Freunde. 

Das bedeutet auch, dass wir ihm zutrauen dürfen, dass es sehr gut in der Lage ist, nicht vermeidbares Leid ebenso ertragen können, wie wir es an seiner Stelle könnten. Es ist eine Fehlbetrachtung zu glauben, dass ein Tier unter menschlicher Begleitung/Behandlung immer leid- und schmerzfrei zu sein hat. So funktioniert das Leben nicht - weder für den Menschen, noch für das Tier. Entscheidend ist lediglich, wie wir damit umgehen. 

Wir alle werden uns eines Tages von unserem geliebten Freund verabschieden müssen. Soweit ist das nichts Neues, aber interessant ist doch die Auseinandersetzung mit der Frage, wie ich bis dahin die Zeit mit meinem Tier verbringen will - in stetiger Angst und Kummer oder freunde ich mich mit der Idee an, dass ich Vertrauen ins Leben haben darf, dass alles seine Wege geht und ich mir zutrauen kann, auch diese "Prüfung" zu bestehen? Offensichtlich begleite und unterstütze ich mein Tier auf seinem Weg der Genesung, aber vielleicht begleitet mich mein Tier weniger offensichtlich auf meinem Weg der Erkenntnis und des Reifeprozesses?

 

Vielleicht hilft mir dieser neue Gedanke dabei, mein Tier mit anderen Augen zu betrachten. Vielleicht blicke ich eines Tages mit Dankbarkeit auf den gemeinsamen Weg zurück oder weiß ihn heute schon mehr zu schätzen.

 

Seine Angst kann man nicht einfach abschalten - es ist ein Prozess. Unsere Tiere machen uns durch ihr Dasein darauf aufmerksam, dass es Zeit ist, uns auf diesen Weg zu machen, getreu dem Motto "Die schönste, aber auch anstrengendste Reise, die man machen kann, ist die Reise zu sich selbst". Und dafür haben wir doch eine ganz wunderbare Reisebegleitung :-)

 

 

© Marion Frömming 

Tierheilpraktikerin 

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